Unangekündigte Wohnungsbesichtigung durch das Finanzamt

17.04.2023 |  Der Steuerratgeber - Kolumne im Wirtschaftsteil der Aachener Zeitung/Aachener Nachrichten

Vielleicht kommen auch Sie einmal in die Situation, dass jemand unangekündigt vor der Haustüre Ihrer Wohnung steht, sich als sogenannten „Flankenschutzprüfer“ des Finanzamtes vorstellt und Einlass begehrt, um einen steuerlichen Sachverhalt zu klären.

 

In einem solchen Fall sollten Sie Ruhe bewahren. Dies fällt ihnen leichter, wenn Sie ein paar Kenntnisse über Ihre diesbezüglichen Rechte besitzen. Ich möchte Ihnen diese an folgendem Fall näherbringen:

Häusliches Arbeitszimmer

 

Eine Steuerpflichtige hatte in ihrer Steuererklärung erstmals die Kosten für ein häusliches Arbeitszimmer in Höhe von 567,12 Euro angesetzt. Auf Nachfrage des beim Finanzamt zuständigen Sachbearbeiters reichte deren Steuerberater dem Finanzamt eine Skizze der Wohnung ein. Auf dieser war mit Druckbuchstaben ein Zimmer mit „SCHLAFEN“ bezeichnet. Dieses Wort war durchgestrichen und handschriftlich durch „ARBEIT“ ersetzt worden. Ein vorhandenes Schlafzimmer war nicht als solches bezeichnet.

 

Der Sachbearbeiter erließ den Einkommensteuerbescheid, berücksichtigte dabei die angesetzten Kosten des Arbeitszimmers zwar steuermindernd, setzte aber den Steuerbescheid unter Vorbehalt der Nachprüfung, so dass dieser noch geändert werden konnte. Der Sachbearbeiter hatte – so wie sich nachträglich herausstellte – auf der Skizze den Vermerk „Wo wird stattdessen geschlafen?“ vorgenommen. Er beauftragte den hausinternen Flankenschutzbeauftragten zu überprüfen, ob denn jetzt im Wohn-/Esszimmer geschlafen würde oder wie sich der Sachverhalt tatsächlich verhielte.

 

Wahrscheinlich um das Überraschungsmoment zu nutzen besuchte der Beamte die Steuerpflichtige unangekündigt und wurde durch diese auch nach Sichtung des Dienstausweises hereingelassen. Der Beamte musste feststellen, dass die Angaben der Steuerpflichtigen der Wahrheit entsprachen und zusätzlich zu den in der Skizze aufgeführten Zimmer noch zwei weitere Räume existierten, von denen einer als Schlafzimmer genutzt wurde.

 

Nachdem Ihr Steuerberater ihr erklärte, dass der Flankenschutzbeauftrage ein Beamter der Steuerfahndung ist, legte sie gegen die Besichtigung Einspruch ein. Dieser wurde vom Finanzamt als unzulässig verworfen. Selbst die daraufhin erhobene Klage auf Feststellung, dass die Besichtigung des Flankenschutzprüfers rechtswidrig war, wurde vom Finanzgericht als unzulässig abgewiesen. Es läge kein Feststellungsinteresse vor, eine Ortsbesichtigung stelle keinen für einen Einspruch notwendigen Verwaltungsakt, sondern ein Verwaltungshandeln zur Vorbereitung eventuell weiterer Maßnahmen dar. Die Skizze wäre unschlüssig gewesen und die unangekündigte Ortsbesichtigung deshalb ein geeignetes und ermessensgerechtes Mittel.

 

Die Steuerpflichtige legte gegen diese Entscheidung Revision ein. Der Bundesfinanzhof urteilte daraufhin, dass die Klage als Feststellungsklage zulässig und die

Besichtigung trotz der Zustimmung der Steuerpflichtigen rechtswidrig war, weil der Einsatz des Fahndungsprüfers als nicht erforderlich und unverhältnismäßig gehalten wurde. Die Unklarheiten zum häuslichen Arbeitszimmer hätten angesichts des in unserem Grundgesetz geregelten Schutzes der Unverletzlichkeit der Wohnung zum Beispiel durch weitere Auskünfte oder andere Beweismittel wie Fotografien sachgerecht beseitigt werden können. Die Ermittlung hätte auch von einem normalen Mitarbeiter der Veranlagungsstelle durchgeführt werden können. Aufgrund solch eines Einsatzes könnte das persönliche Ansehen unangemessen gefährdet werden, weil bei zufällig anwesende Besuchern oder Nachbarn der Glaube einer strafrechtlichen Ermittlung entstehen könnte.

 

In diesem Fall hatte die Steuerpflichtige dem Betreten der Wohnung zugestimmt. Gegen ihren Willen hätte die Wohnung, dazu gehört auch das häusliche Arbeitszimmer, im Besteuerungsverfahren nur bei dringender Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung betreten werden dürfen.

 

Beachten Sie aber, dass verbleibende Unklarheiten bei einer eventuellen Verweigerung zu Ihren Lasten gehen.

 

Sofern Sie steuerlich vertreten sind, macht der Verweis auf Ihren Steuerberater und auf dessen Auskunftserteilung in solch einer Situation mit Sicherheit Sinn, um Ihre durch die Einschaltung der Steuerfahndung eventuell bestehende strafrechtliche Rechtsposition nicht zu gefährden.

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